Eine transparente Branche mag es lieber heimlich

IMG_1151Interessante Einblicke zur Praxis der Rüstungsindustrie gab es heute bei der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts, einer Branche, die sich selbst als „transparent“ betrachte, ( so heute ihr Verbandspräsident) aber auf Geheimhaltung größten Wert legt.

Der zweite Senat verhandelte heute über die Verfassungsbeschwerde von Hans-Christian Ströbele und Claudia Roth, die ihr Informationsrecht als Bundestagsabgeordnete beim Genehmigungsverfahren für Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien beschnitten sahen. Ströbele der als Einziger der Kläger anwesend war, beklagte, dass die Regierung selbst dann keine Auskunft zur Lieferung von 200 Leopard Panzern im das Königreich habe geben wollen, als davon längst in der Zeitung zu lesen war.

Innenminister de Maizière hielt das für vollkommen in Ordnung. Schließlich könne man nicht über geheime Vorgänge in der Regierung nur deshalb Auskunft geben, weil davon in der Zeitung steht. Geheim bleibt geheim fand der Innenminister, der auch schon mal Verteidigungsminister war. Vertreter der Rüstungsindustrie sahen das genauso. Es gebe viele Kunden, so der Präsident des Verbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Hans Christoph Atzpodien, die schon allein ihre Anfrage nach einem Panzer oder einem U-Boot geheim behandelt wissen wollten. Das ist die Phase in der die Bundesregierung von solchen Anfragen erfährt. Die Rüstungshersteller stellen dann eine Anfrage an die Regierung, ob ein solches Geschäft Aussicht auf eine Genehmigung habe.

Über die Verbindlichkeit solcher positiv beantworteten Anfragen herrschte heute eine leichte Uneinigkeit. Tatsache ist aber offenbar, dass solche Anfragen, wenn sie vom Sicherheitsausschuss der Regierung einmal positiv beantwortet worden sind, später nur selten gegenteilig entschieden werden. Mit einer solchen Zusage im Rücken lässt sich also gut über einen Rüstungsdeal verhandeln.

Wenn aber Informationen über solch ein Geschäft bereits in dieser Phase an die 631 Abgeordneten des Bundestag gingen, wäre der Kunde weg, behaupteten heute unisono die Vertreter der Wehrtechnik-Branche. Ob Länder die lieber heimlich verhandeln, genau die sind, bei denen Lieferungen heikel sind,  wollte Verfassungsrichter Landau sinngemäß wissen und spielte da wohl auf Saudi Arabien an. Das wollte Rüstungsmann  Frank Haun, von Krauss-Maffei-Wegmann nicht gelten lassen, aber auch nicht die Namen solcher Länder nennen. Nur so viel: es seien auch NATO-Partner unter den Geheimniskrämern.

Ansonsten, klagten Haun und Atzpodien, habe es die deutsche Rüstungsindustrie schwer: immer weniger Neuentwicklungen von Wehrtechnik die von der Bundeswehr und den NATO-Partnern in Auftrag gegeben werden, der Exportanteil steige deshalb auf bis zu 80 Prozent und jede weitere Erschwernis durch Gesetze oder Verordnungen sei ein Wettbewerbsnachteil. Und mehr Transparenz bei Rüstungsdeals liefere der Konkurrenz aus Frankreich den USA und Russland, weitere Vorteile.

Jetzt könnte man sagen, wenn es keinen Markt für die Produkte deutscher Rüstungsschmieden gibt, dann müssten sich die Firmen vielleicht andere Produkte entwickeln. Dem widersprachen de Maizière wie auch die beiden Verbandsleute: im Koalitionsvertrag sei eine eigene Rüstungsindustrie als wünschenswert eingestuft worden und die Produkte seien weltweit gefragt.

Doch auch wenn die Waffenschmieden in der Koalitionsvereinbarung erwähnt sind, Verfassungsrang hat eine prosperierende deutsche Rüstungsindustrie trotzdem nicht. Christian Ströbele erinnerte im Gegenteil daran, dass der Artikel 26 des Grundgesetztes eine restriktive Haltung zu Rüstungsexporten ausdrücke. Und dass es auch mit weniger Geheimniskärmerei geht, darauf hatte am Morgen die Friedensforscherung Sybille Bauer am Beispiel der USA hingewiesen. Ein interessanter Artikel dazu auch auf Augen geradeaus.

Interessanter ist für die Entscheidung deshalb die Frage, ob etwa Richterin Lübbe-Wolff recht hatte, als sie Ströbele fragte, ob Parlament ein Recht auf Informationen über einem Rüstungsdeal schon bei der Anfrage habe, oder nicht erst, wie es jetzt derzeit geregelt ist, nach der Unterschrift. Die Frage sei ob die Gewaltenteilung dadurch nicht aufgeweicht werde, wenn man der Regierung nicht zunächst einmal freie Hand für Entscheidungen gibt.

Präsident Voßkuhle deutete in seinen Fragen schon an, wohin die Entscheidung der Richter gehen könnte. Entweder können sich Abgeordnete bestimmter Ausschüsse künftig über laufende Rüstungsexportanfragen aus Akten informieren, oder es könnte einen Ausschuss ähnlich dem Kontrollgremium für die Geheimdienste geben, der diese Vorgänge überwacht. Der wohl bei der Regierung nicht unerwünschte Nebeneffekt einer solchen Entscheidung wäre: Die Geschäftsinteressen der Rüstungskonzerne blieben in beiden Fällen gewahrt. Eine Entscheidung werden die Richter erst in einigen Monaten bekannt geben.