Wie machst Du das? Ghostwriting

Ghostwriting, das ist eigentlich das Gegenteil von Journalismus. Du schreibst aus der Perspektive eines anderen, du fasst seine Meinungen und Einschätzungen in die richtigen Worte, die klingen sollen, als wären es seine. Das klingt nach entfremdeter Arbeit, hat aber auch viel mit Empathie zu tun. Und wenn man sich darauf einlassen kann, hat das durchaus seinen Reiz.

Ich sollte vor ein paar Jahren ein Buch für einen Unternehmenschef schreiben, das er druckfertig einem Verlag anbieten wollte. Wer das war, ist natürlich ein Geheimnis. So ist das beim Ghostwriting. Es sei denn, man konnte bei den Verhandlungen durchsetzen, dass der Name des Ghosts im Buch genannt wird.

Ghostwriting ist eine Dienstleistung, bei der das Autoren-Ego zurücktreten muss. Ich finde, das muss kompensiert werden. Deshalb Regel Nummer eins: Ghostwriting muss man sich richtig gut bezahlen lassen, sodass man am Ende ungefähr doppelt so viel verdient wie bei einem vergleichbaren Buch unter eigenem Namen. Dafür gibt man ja auch alle Rechte an dem Text ab.

Die nächste Regel: Setze dich mit der Person, für die du schreiben sollst, gründlich auseinander. Kann ich mich mit ihr und ihrer Haltung identifizieren oder kann ich zumindest lernen, die Dinge mit ihren Augen zu sehen? Je persönlicher das „geghostete“ Buch werden soll, desto wichtiger ist es, sich gut persönlich kennenzulernen, mit der Option für beide Seiten, das Projekt abzusagen.

Dann geht es an die Interviews. Lange Gespräche waren das, die ich komplett aufgezeichnet und wörtlich abgetippt habe, um später Blöcke daraus – in sprachlich geglätteter Form – für den Buchtext zu verwenden. Ich habe aber auch mit allen möglichen Leuten aus dem Umfeld gesprochen und meinen Mann bei öffentlichen Auftritten beobachtet.

Wenn das Buch eher ein Sachthema behandelt, muss man genauso gründlich recherchieren, als würde man das Buch über dieses Thema unter eigenem Namen veröffentlichen. Natürlich mit Hilfe und Informationsquellen des Auftraggebers. Es geht ja um seine Perspektive auf das Thema.

Dann geht es ans Niederschreiben. Dabei habe ich versucht, den Sound meines Auftraggebers zu treffen, und ihm schon recht früh einzelne Kapitel vorgelegt. Es soll ja sein Text sein. Im Idealfall entsteht in dieser Phase eine enge Zusammenarbeit und Diskussion an dem Text. Am Ende aber darf er ändern, was er möchte. Ich war nur der Geist, der ihm die Feder geführt hat. Insgesamt habe ich ein Jahr, neben anderen Aufträgen, an dem Buch gearbeitet. Wichtig ist, dass man im Vertrag klärt, wann das Ghostwriting endet, sonst kann das Diskutieren und Ändern zu einer unendlichen Geschichte werden.

Auch ich habe in diesem Projekt gelernt: Der Ghostwriter ist Dienstleister, auf Autorenstolz wird keine Rücksicht genommen. Mein Buch, pardon, das Buch des Unternehmenschefs wurde bezahlt, aber es ist nie erschienen. Als das Manuskript fertig war, passte es nicht mehr in die Unternehmensstrategie.

cropped-benno01.jpgErschienen in: „Wie machst Du das?“ Das zweite Handbuch für Freien Journalismus von Freischreiber e.V.