Kuveyt-Türk – Die Banker des Islam

Die Einrichtung erinnert an eine moderne Kaffeebar. Schnörkellose weiße Möbel, in einer Nische steht eine Kaffee-Maschine, an der sich die Kunden einen Capuccino brühen können. Am Tresen sitzt eine junge Frau mit einem schwarz glitzernden Kopftuch. Sie fragt im Mannheimer Singsang, ob sie helfen kann. Seit sieben Jahren versucht die Kuveyt-Türk Bank in Deutschland Fuß zu fassen. Seit März dieses Jahres hat sie in der Mannheimer Innenstadt, nicht weit vom historischen Marktplatz, ihre erste Filiale eröffnet. Die Filiale soll Transparenz ausstrahlen, das Schaufenster ermöglicht einen freien Blick nach drinnen. Auf dem Schreibtisch von Ugurlu Soylu, dem Geschäftsführer, steht eine goldverzierte Ausgabe des Koran. Mehr Hinweise auf den religiösen Hintergrund gibt es nicht.

Dabei ist die Kuveyt-Türk Bank das erste Finanzinstitut in Deutschland, das seinen meist muslimischen Kunden Geldanlagen gemäß den Vorgaben des Propheten anbietet. Anders als etwa in Frankreich oder Großbritannien ist Islamic Banking in Deutschland bisher kaum verbreitet und das obwohl fast vier Millionen Muslime hier leben.

Doch seit der Finanzkrise rücken islamische Bankprodukte plötzlich auch in den Focus nicht-muslimischer Anleger auf der Suche nach soliden Investitionen. Denn die Regeln für Geldanlagen im Sinne des Koran sind streng und versprechen ethische Anlageformen. Muslime dürfen nicht in unethische Branchen investieren. Das sind für den Koran: Pornografie, Waffen, Alkohol, Schweinefleisch und Glücksspiel.

Nach dem Koran ist es nicht erlaubt auf verliehenes Geld „Riba“, also Zinsen zu erheben. Denn die Zeit die mit dem Zins bezahlt wird, gehöre nur Gott. Deshalb werden etwa Eigenheime nicht mit einem Kredit der islamischen Bank finanziert. Stattdessen kauft die Bank das Haus und verkauft es mit einem Aufschlag an den Kunden weiter, der es mit Ratenzahlungen ablöst. Das Verbot, Dinge zu Verkaufen, die einem nicht gehören, sollen spekulative Geschäfte wie etwa Leerverkäufe verhindern. „Jedem Geldgeschäft muss ein Geschäft in der Realwirtschaft zu Grunde liegen“, erklärt Finanzexperte Zaid el-Mugadeddi.

Sparkonten sind bei islamischen Banken eigentlich eine Art Beteiligung am Investmentgeschäft. Das bedeutet aber auch, dass die Banken ihre Kunden keine Rendite garantieren können. Gehen die Geschäft der Bank schlecht ist der Sparer auch an den Verlusten beteiligt. Im Prinzip ist auch der Totalverlust des Sparguthabens möglich.

„Wir stehen mit unseren Prinzipien allen Kundengruppen offen“, sagt der Chef von Kuveyt-Türk-Deutschland Ugurlu Soylu. Er glaubt, dass seine Produkte wegen des ethischen Anspruchs auch für Deutsche Kunden attraktiv sein könnten. Sein Team besteht auch deshalb je zur Hälfte aus deutschen und türkischen Mitarbeitern. Seit der Eröffnung der Filiale, sagt er, habe er auch schon ein paar Kunden gewonnen, deren Name darauf schließen lässt, dass sie keine türkischen Wurzeln haben.

Doch bisher ist Islamic Banking selbst bei den 4,5 Millionen Türken in Deutschland wenig verbreitet. Deutsche Banken sind bisher nur im so genannten Ethno-Marketing tätig. Sparkassen bieten Bausparverträge oder Girokonten in türkischer Sprache an und werben in Zeitschriften und Fernsehsendern um die Migranten. Die Deutsche Bank vertreibt ihre schariakonformen Geldanlagen nur im arabischen Ausland. Spezielle Finanzprodukte, die religiösen Regeln der potenziellen Kunden entsprechen, werden von den Finanzinstituten in Deutschland bisher nicht angeboten. Bankberater Zaid el-Mugadeddi vermutet, das liege an der Angst der Banken, ihre konservative deutsche Stammkundschaft zu verprellen. „Die deutschen Banken verschlafen da einen Trend“, sagt Michael Saleh Gassner, Experte für Islamic Banking im Vorstand des Zentralrats der Muslime und selbst Investmentbanker in Zürich. Studien prognostizieren angesichts der wirtschaftlich inzwischen sehr erfolgreichen türkischen Comunitiy ein Markt-Potenzial von 1,2 Milliarden Euro Umsatz.

Weltweit haben schariakonforme Fond und Anlagen Wachstumsraten zwischen 10 und 20 Prozent. In England und Frankreich änderte die Regierung bereits Gesetze, um steuerliche Nachteile für Scharia-Produkte zu verhindern. Damit wollen Sie von dem Wachstum der Branche profitieren und Kapital aus den reichen Golfstaaten ins Land holen. Soweit ist man in Deutschland noch nicht. Selbst Kuveyt-Türk hat es in Deutschland bisher nur zu einer eingeschränkten Bankenlizenz gebracht. Deshalb kann sich das Geld ihrer Sparer und Investoren nicht selbst anlegen, sie muss es zum Mutterhaus in die Türkei transferieren. Bis Kuveyt-Türk eine Vollbank werden kann, seien noch einige rechtliche Fragen zu klären, erklärt Soylu, kann aber in den Gesprächen mit den Bankbehörden keine Vorurteile gegen seine Bank erkennen. Tatsächlich kommen positive Signale von der Bankenaufsicht Bafin in Frankfurt, sagt Soylu.

Selbst in islamischen Ländern findet noch immer die Mehrheit des Geldgeschäfts nach westlichen Spielregeln statt. Im streng religiösen Saudi Arabien werden nur zehn bis zwölf Prozent der Finanztransaktionen schariakonform abgewickelt. Wenn es um Ölmillionen geht, legen auch gläubige Muslime ihr Kapital offenbar lieber konventionell aber renditeträchtig an. „Am Ende muss sich das Islamic Banking am Markt gegen konventionelle Produkte behaupten“, sagt der Leipziger Orientalist Hans-Georg Ebert. Moralische Argumente seien da nicht ausreichend.

Immerhin beobachten Finanzexperten, dass islamische Banken dank ihrer stärkeran der Realwirtschaft orientierten Geschäfte und des höheren Eigenkapitals, besser durch die Finanzkrise gekommen sind, als konventionelle Finanzinstitute. „Richtig aufgelegt, können islamische Produkte mehr Sicherheit bieten“, bestätigt Hans-Georg Ebert, der gerade mit Kollegen der Universität Leipzig für die Sparkassenstiftung eine Studie über islamisches Bankenrecht veröffentlicht hat.

Andere sehen im islamischen Bankwesen deshalb sogar ein Vorbild für westliche Geldinistitute. Der CDU-Landtagsabgeordnete in Baden-Württemberg Reinhardt Löffler, erregte vor kurzem einiges Aufsehen, als er forderte, die Landesregierung solle islamische Banken fördern. „Islamic Banking ist da angekommen, wo die westliche Bankenwelt nach dem Crash hinwill“, sagt der Christdemokrat. Kritiker werfen dem Islamic Banking dagegen Scheinheiligkeit vor. Mit den Regeln der Scharia könne man vom Hedgefond bis zu den toxischen Wertpapieren, die 2008 die weltweite Finanzkrise ausgelöst haben, jedes bekannte Anlageprodukt nachbilden, sagen Experten. Gelegentlich macht der böse Vergleich mit den „hundert ganz legalen Steuertricks“ die Runde.

Bankberater Zaid el-Mugadeddi bestätigt, dass man auch im islamischen Banking konventionelle Bankprodukte nachbauen kann, warnt aber vor solchen Tricks. „Islamische Banken machen es sich zu einfach wenn sie Me-Too-Produkte anbieten“, findet er, damit werden sie dem Geist des Koran nicht gerecht. Doch gerade der religiöse Gehalt interessiert die muslimischen Anleger. In einer Umfrage seines Instituts unter Deutschen Muslimen weist El-Mugadeddi nach, dass 72 Prozent der muslimischen Anleger islamische Bankprodukte aus ethischen Gründen bevorzugen.

Doch Vertrauen allein genügt nicht. Bereits vor einigen Jahren hatte die Branche ihre ersten großen Anlageskandal. Betrügerische Fonds aus der Türkei sammelten Ende der 90er Jahre bei fast 300.000 türkischen Einwanderern Vermögen ein, mit dem Versprechen, das Kapital nach islamischen Regeln anzulegen. Die geprellten Sparern verloren damals Millionen.

Um solche Skandale zu verhindern, verlangt das islamische Bankwesen für jedes Anlageprodukt ein Zertifikat eines so genannten Scharia-Boards. Der Rat besteht aus anerkannten Theologen, Juristen und Finanzexperten. Sie prüfen Investmentprodukte und beaufsichtigen die Banken. „Die Shariaboards fungieren als Ethik-Komissionen“, erklärt Bank-Berater el-Mugadeddi. Sie sind nur so gut, wie die Gelehrten die dort berufen sind. Bisher sind Scharia-Boards meist in der arabischen Welt und in Südostasien angesiedelt und für Anleger hierzulande schwer zu beurteilen. In Frankreich und England, in denen das Islamic Banking bereits weiter verbreitet ist, haben Banken bereits eigene Scharia-Boards aufgebaut. Solche Board fordern Experten wie Michale Gassner auch für Deutschland.

Denn die Kontrolle muss gut funktionieren, wenn die Produkte auch in Europa ein Erfolg sein sollen. „Islamische Bänker sind nicht weniger gierig, oder risikofreudig“, sagt einer, der schon lange in der Branche arbeitet. Aus seiner Sicht ein Argument für Islamic Banking. „Deshalb haben wir die strengen Regeln des Koran.“